Rhythmus und Gleichmaß


In der Natur anzutreffende Rhythmen scheinen sich in das Prinzip der unbegrenzten Vielfalt unseres Universums einzufügen. Ein rhythmisches Gleichmaß, wie wir es in unserer westlichen Musik praktizieren, scheint hier nicht vorzukommen. Wahrscheinlich spielen zuviele Faktoren bei der Klangerzeugung eine Rolle, dass stets eine rhythmische Verschiebung stattfindet. So finden sich rhythmische Sequenzen, die einander ähneln, jedoch nicht identisch sind.

Tiere scheinen nach meinen Beobachtungen keinerlei Interesse an der Wiederholung einer identischen Sequenz zu haben. Wenn auch der abendliche Gesang einer Amsel, z. B. aus einer sich wiederholenden Sequenz besteht, sie variiert jedes Mal in Zeit- und Tonabfolge. Auch Zikaden, Frösche oder Eulen, deren Klangerzeugung zu recht identischen Resultaten kommt, geben diese eindeutig in arrhythmischen Abständen wieder.

Ausgehend von der Annahme, dass alles Organische und Anorgische auf Schwingung zurückzuführen ist, aus diesen Schwingungen komplexe physikalische und chemische Prozesse resultieren, die berechenbar und verlässlich reproduzierbar sind, so ist es doch erstaunlich, dass sich in der natürlichen Zusammenwirkung kein Gleichmaß mehr finden lässt. Selbst die derzeit genaueste Uhr, die Atomuhr, für deren Entwicklung 1944 Isidor Isaac Rabi der Nobelpreis verliehen wurde, weist immer noch eine minimale Abweichung auf.

Allein der Mensch scheint den Takt als Vereinbarung gefunden zu haben, die ihm ein Zusammenspiel ermöglicht. Er bricht die Stupidität des Gleichmaßes dann wieder mit Mitteln wie Tempowechsel, Dynamikwechsel, Akzenten, Synkopen, breaks und off-beats auf.

Die Idee der westlichen klassischen Musik lässt dem Interpreten - meist - wenig Freiheit innerhalb dieses Gefüges. Es ist die Frage, ob das schon immer so war. So gibt es manche Vermutungen darüber, ob die Notation zu Johann Sebastian Bachs Zeiten weniger streng genommen wurde, und Interpreten so wie Bach selbst über die Themen improvisierten.


 

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