Bad sounds
Meine Motivation, Musik zu machen, entspringt ein
wenig aus der Not, da mir für die Inszenierung
von Tanz oft das fehlt, was ich brauche. Bin auf der Suche
nach schöner, nach sentimentaler Musik, habe ich
große Wahlmöglichkeiten, doch suche ich
Eigenartiges, Destruktives wird die Auswahl erheblich
kleiner. In der neuen Musik finden sich zwar genügend
Ansätze aus dem Wohlklang der klassischen Musik
auszubrechen, doch letztendlich überzeugt mich ein z.
B. manuelles Anschlagen von Klaviersaiten zu wenig. Es
mögen die Instrumente selbst sein, die auf einen
harmonischen Klang ausgerichtet sind. Experimentelle Musik
überzeugt mich manchmal, meist aber findet sich wie
auch in der Popmusik eine zu große Eindeutigkeit, um
für das Inszenieren noch Platz zu lassen. Die Welt der Geräusche bietet hingegen eine
große Auswahl an nuancierten
Prozeßhaftigkeiten. Ein Kratzen, Reißen,
Malmen, Schieben, Knarren, Brechen oder einfach nur ein
Distortionfilter (Verzerrungsfilter) geben hervorragende
Abbilder von Wandlungsprozessen. Mein Ansatz ist hierbei
nicht Musik zu erfinden, ich suche und sammele, was ich
finde. Die Filter, die ich auf die Geräusche setze,
betrachte ich als ebensolchen physikalischen Prozess wie
das Geräusch selbst, denn auch wenn sie
künstlich sind, so verstehe ich ihre Anwendung als
Transposition in eine andere Form oder ich extrahiere, in
dem ich einen Frequenzbereich herausfiltere. Die
Ergebnisse kann ich nur sehr vage vorhersehen. Lediglich
beim Abmischen der verschiedenen Sounds, kann ich meine
persönliche Vorstellung aus dem vorhandenen Material
umsetzen. So gestaltet sich zu einem Teil die Musik
selbst, je nach dem, welche Geräusche und welche
Modifikationsmöglichkeiten ich finde. Tatsächlich entstehen hier oft unerwartete
Dinge, die den Fortlauf des jeweiligen Stückes
beeinflussen. Bei Droprhythm z. B. dachte ich ein
hübsches Tröpfchenlied zu machen. Doch aus dem
tatsächlichen Rauschen des Regens entstand ein
interessanter Backgroundsound, der sich wie eine Art
heulender Gesang formierte und bei weiterer Bearbeitung
immer stärker und scheuslicher wurde, bis er die
Tröpfchen verschluckte. So entstand aus dem
Tröpfchenlied eine Art Wimpernschlag in China und
wurde passend zu dem Jungspatz, den ich kurz zuvor
aufgenommen hatte, zu einer Hommage an die Kraft der
kleinen Dinge. Allerdings entstehen
bei dem Verwenden von Filtern auch Nebeneffekte, die das
Kreieren stark einschränken. Mit jedem Filter
verstärkt sich das Rauschen, das, wieder
herausgefiltert, das Klangspektrum deutlich verringert. Im
Höhenbereich lassen sich Feinheiten kaum erhalten, da
sie zu schnell sinusartig und für das Ohr enervierend
werden. Das „Röhrenlied“ bewegt sich z. B. stark an
der Schwelle zur Schmerzhaftigkeit. Ich suchte hier den
Kompromiss, da ich wenigstens einen Teil der dissonanten
Obertöne des Originalklanges erhalten wollte, die
schon mit der Aufnahme begannen, verloren zu gehen. ... weiter |
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