Der Zufall
Ein Zufall ist ein Ereignis, zu dessen
Zustandekommen kein kausaler Zusammenhang hergestellt
werden kann. Er vollzieht sich also scheinbar absichtslos.
Je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein
Ereignis absichtslos zustande kommt, desto erstaunlicher
erscheint uns der Zufall. Dabei bleibt es stets vage, wo
genau die Grenze zwischen Absicht und Zufall zu ziehen
ist. So mag es ein Zufall sein, wenn ein kleines
windgesteuertes Pollenkorn auf eine passende Blüte
seiner Art trifft, in Anbetracht jedoch der Millionen von
Pollen, die von der Mutterpflanze ausgestoßen
wurden, lässt sich hier wohl eher eine Absicht
vermuten. Der Zufall wird im Allgemeinen, wenn er keine
negative Auswirkung auf das weitere Leben hat, als
erheiternd empfunden, auch dann, wenn er keine positive
Folgen hat. Tatsächlich pflanzen sich Zufälle
gerne so passend in Umstände hinein, dass der
Deutungsspielraum immer wieder Weltanschauungen
aufeinander prallen lässt, denn wo die einen die
Hände der Götter und Geister im Spiel vermuten,
beharren andere auf die statistische Wahrscheinlichkeit,
und ein mancher mag ein mögliches
Erklärungsmodell auf den Tag verschieben, an dem die
alles verbindende Weltformel endlich gefunden wurde. Die Diskussionen enden fruchtlos, da es an Beweisen
mangelt. So umgibt den Zufall etwas Rätselhaftes, da
er unser Denken ähnlich an seine Grenzen bringt, wie
die Frage der Endlichkeit des Universums oder einer
möglichen Existenzform nach dem Tod.
Grundsätzlich lässt sich sagen, widerfährt
anderen ein unvorhergesehenes Ereignis, ist es Teil einer
sich vollziehenden Wahrscheinlichkeit, widerfährt es
mir, ist es Zufall. Wir müssen davon ausgehen, dass nicht alles,
was wir als Zufall deklarieren, ein solcher ist, denn
morgen schon könnte ein wissenschaftlicher
Zusammenhang aufgedeckt werden. Betrachten wir jedoch den
echten Zufall, so ist einzig das Unmögliche
ausgeschlossen. Denn mag ein Ereignis auch relativ
unwahrscheinlich sein, so muss es nach unserer Idee der
Wahrscheinlichkeitsrechnung irgendwann eintreten. Hieraus
lässt sich schließen: Ein Zufall ist ein zwangsläufiges Ereignis. Wenn ich diesen Gedanken nun mit meinem zuvor
beschriebenen Gedanken verknüpfe, dass es im
Zusammenwirken verschiedentlicher Gesetze kein
Gleichmaß gibt, komme ich weiterhin zu dem Schluss,
dass diese Unregelmäßigkeit die
größtmögliche Anzahl von Ereignissen
ermöglicht, also im Prinzip keine Kombination von
Faktoren auszuschließen ist. Damit präsentiert
sich das Universum als das, was es ist: Eine kreative
Spielwiese der Vielfalt. Es mag dahingestellt bleiben, ob ein Universum
überhaupt möglich wäre, in dem die
verschiedentlichen Gesetze so aufeinander abgestimmt
wären, dass sie in ihrem Zusammenwirken ein
Gleichmaß erzeugten. Schon bei einem möglichen
Urknall ist die Vorstellung von sich gleich verteilenden
Teilchen eine recht dürftige, gemessen an dem Himmel,
der sich uns tatsächlich präsentiert. Tatsache scheint, dass der menschliche Geist sich
ganz im Sinne der universellen Idee, sowohl an Vielfalt
wie auch Zufällen erfreut. |
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