Akustische Körper



So wohlklingend ein akustisches Instrument sein mag, zur Entfaltung seines Klanges bedarf es eines angemessen Resonanzraumes. Dieser ist so bedeutsam, dass der klassischen Musik hierfür eigens Philharmonien gebaut werden (wenn es in manchen deutschen Großstädten auch noch andere Beweggründe geben mag).

Dem gegenüber kann die mit Software entwickelte Musik Räume erschaffen, die real gar nicht existent sind. Entsprechend welchen Hall- oder Echofilter man auf einen Klang setzt, erzeugt man die Illusion, der Klang sei in einer Garage, in den Bergen oder in einem kleinen Zimmer, usw. erzeugt worden. Es mag heute keine Tonaufnahme mehr geben, die nicht mithilfe dieser Mittel nachgearbeitet wird.

Das Sounddesign des Films zielt dabei jedoch nicht nur auf die Verbesserung der Tonqualität ab, sondern setzt Klänge und Geräusche gerne dazu ein, seinen Zuschauer psychologisch zu beeinflussen. Da unserere Kommunikation in erster Linie auf visuelle Signale gerichtet ist, sind wir uns meist gar nicht bewusst, wie sehr unsere Nerven mittels des Sounddesigns auf Hochtouren gehalten werden.

Im ersten Textfenster ging ich bereits auf unsrere veritablen Fähigkeiten ein, Geräusche auf Ereignisse zurückzuführen. Zwar befindet sich die Ausbildung unseres Gehörs auf dem unteren Mittelfeld im Vergleich mit der Tierwelt, doch auch uns dient das Gehör als Schutzfunktion, um möglichst schnell Gefahren erkennen zu können. Einen Panzer oder Bären werden wir um eine beträchtliche Zeitspanne früher hören, bevor er sich sichtbar macht.

Mit dieser Warnfunktion spielt gerne der Film, wenn zum Beispiel Geräusche der folgenden Szene noch in der alten eingespielt werden. Beim Zuschauer entsteht eine Irritation, der Adrenalinspiegel steigt und das Erlebnisgefühl ist gesteigert. Die Dramaturgie des Sounds geleitet uns durch den Film. Wann welches Geräusch in welcher Stärke oder Feinheit zu uns tritt, sagt uns, wen wir mögen sollen, und wann es gefährlich wird. Ein Schreck wird meistens durch den Klang verursacht, nicht durch das Bild.

Natürlich ist der Einsatz von Effekten mit Salz zu vergleichen: Zuviel davon wird ungenießbar. Ein gutes Sounddesign jedoch macht selbst aus alltäglichen Szenen einen atmosphärischen Genuß, handele es sich dabei um das leichte Knirschen unter den Fußsohlen, das Zuschlagen einer Türe  oder die Stille vor dem großen Schreck.

Erstaunlicher Weise korrigiert das Gehirn sogar Unstimmigkeiten zwischen Klang und Bild zugunsten des Klanges. Sieht man eine Straße, auf der sich niemand befindet und doch hört man Stimmen, so wird das Gehirn der Überzeugung bleiben, das sich dort einige Menschen befunden haben.

Das deutlichste Beispiel dafür, wie Klänge physisch nicht existente Körper erschaffen können, gibt wohl manche Klanginstallation. Hier weiß man zwar, dass die Körper real nicht vorhanden sind, und trotzdem sehen wir geistig Kugeln, die an der Decke rollen, gegen Wände prallen, in Röhren plumpsen o. ä.

Für den Tanz bietet Sounddesign eine wunderbare Möglichkeit, sehr flexibel Bühnenbilder zu erschaffen. Ich persönlich wundere mich, dass Sounddesign auf der Bühne relativ wenig genutzt wird. Das fehlende Budget mag hier eine Rolle spielen, denn Theater können bei Weitem nicht so viel Geld einspielen wie z. B. ein Film.







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